Künstliche Intelligenz in der Steuerberatung wird heute oft auf eine simple Funktion reduziert: das automatisierte Recherchieren von Rechtsansichten in Verlagsdatenbanken. Doch dieses Bild greift viel zu kurz. Denn KI ist mehr als ein Tool für juristische Stichwortsuche – sie ist ein strategisches Instrument zur Wertschöpfung, zur Mandantenbindung und zur Transformation klassischer Beratungsleistungen in skalierbare digitale Produkte.
Moderne Steuerkanzleien sitzen längst auf einem Datenschatz: Buchhaltungsdaten, Rechnungen, betriebswirtschaftliche Auswertungen, Lohnabrechnungen, Jahresabschlüsse. Diese Daten liegen meist strukturiert und historisch tief gestaffelt vor – und bieten enormes Potenzial für datenbasierte Auswertungen und intelligente Analysen.
Was bisher fehlte, war die technologische Brücke. Diese liefert nun Microsoft Fabric – in Kombination mit Azure AI Foundry und OneLake. Diese Plattformen ermöglichen es, strukturiere Kanzleidaten mit externen Datenquellen zu verknüpfen, in einem einheitlichen Datenraum bereitzustellen und mit KI-gestützten Agenten automatisiert auszuwerten. Das Ergebnis: Digitale Produkte mit echtem Mehrwert für Mandanten – on demand, individuell, skalierbar.
Ein konkretes Beispiel: Preisoptimierung als datenbasiertes Produkt
Stellen wir uns einen Mandanten aus dem Onlinehandel oder stationären Vertrieb vor, der auf der Suche nach Strategien zur Umsatzsteigerung und Lagerbereinigung ist. Die zentrale Frage: Welche Produkte sollen rabattiert werden – und zu welchem Preis?
Die Steuerkanzlei kann hier ein Datenprodukt anbieten, das genau diese Fragestellung beantwortet – auf Basis von KI, Datenintegration und Kanzlei-Know-how:
- Rechnungsdaten: Diese liegen bereits in der Kanzlei vor, etwa über Datev oder aus dem ERP-System des Mandanten.
- Verkaufsdaten: Werden über Microsoft Fabric angebunden, z. B. aus Databricks, Azure SQL oder auch einfachen CSV-Dateien.
- Lagerbestände: Kommen ebenfalls aus ERP oder Kassensystemen, z. B. über Snowflake oder Microsoft OneLake.
- Kundenfeedback: Dieses liegt unstrukturiert vor – etwa in Form von Supportmails, Rezensionen, Chatverläufen – und wird im Azure Data Lake gespeichert und per AI Search indiziert.
All diese Datenquellen werden virtuell in einem gemeinsamen Lakehouse verbunden – ohne physische Kopien oder komplizierte ETL-Prozesse. Die Kombination erfolgt über OneLake Shortcuts und native Konnektoren.
Ein in der Kanzlei eingerichteter KI-Agent (z. B. auf Basis von GPT-4) greift dann auf diesen Datenraum zu und beantwortet die eingangs gestellte Frage durch eine mehrdimensionale Analyse:
- Welche Produkte verkaufen sich schlecht?
- Welche davon liegen in überfüllten Lagern?
- Welche bieten noch genügend Marge für einen Rabatt?
- Welche Produkte werden von Kunden trotzdem nachgefragt – laut Feedback?
Das Ergebnis: Eine automatisch generierte Liste von Rabatt-Empfehlungen, inklusive Begründung, Preisvorschlägen und Priorisierung.
Der Clou: Das Ganze ist ein monetarisierbares Kanzlei-Produkt
Diese Analyse kann als digitales Produkt in einem Mandantenportal bereitgestellt werden – etwa als Bestandteil eines Beratungsabos oder gegen Einmalzahlung. Denkbar sind:
- Pay-per-Use-Modelle: z. B. 49 € pro Abruf der Produktanalyse.
- Abo-Modelle für Onlinehändler: z. B. monatlich 99 € inkl. Datenzugriff, Preissimulationen und Handlungsempfehlungen.
- Einbindung in Mandanten-Shops: z. B. über Shopify, mit automatischer Preisaktualisierung via Schnittstelle.
Damit entsteht ein echtes skalierbares Geschäftsmodell für die Kanzlei: weg vom rein zeitbasierten Beratungshonorar – hin zu datengetriebenen Services mit wiederkehrendem Ertrag.
Fazit: Steuerberater als Datenversteher – nicht nur als Zahlenprüfer
Dieser Ansatz zeigt exemplarisch, wie Steuerkanzleien das volle Potenzial von KI ausschöpfen können: Nicht als technisches Spielzeug, sondern als Business-Innovation.
Daten sind längst vorhanden – das Know-how, sie sinnvoll zu kombinieren und daraus echte Mehrwerte für Mandanten zu erzeugen, ist das neue Unterscheidungsmerkmal digitaler Kanzleien.
Mit der richtigen Architektur, klaren Workflows und intelligenter Automatisierung wird aus „Künstlicher Intelligenz“ ein echter Treiber für Wachstum – sowohl für deine Mandanten als auch für dein eigenes Kanzleigeschäft.